Karlsruher Stadtplanung

Meret Garvelmann & Leonie Nufer — 14. September 2019

Und der Klimawandel

Der Artikel als PDF

Es ist schon seit längerem kein Geheimnis mehr, dass Karlsruhe schon jetzt zu den wärmsten Regionen Deutschlands gehört, was sich durch den Klimawandel noch verstärken wird. Das stellt auch die Architekten vor die Herausforderung, neue Ansätze in der Stadtplanung zu finden. Dabei müssen die bauliche Nutzung, Mobilitätskonzepte und Verkehrsplanung, aber auch die Gestaltung des öffentlichen Raumes festgelegt werden. Auch der Umweltschutz spielt eine große Rolle.

Momentan herrschen in großen Städten vor allem in den inneren Stadtteilen oftmals dicht bebaute Bereiche und Blockbebauung vor. Außerdem haben viele Gebäude kaum einen Sonnenschutz und auch die Wärmeisolierung ist häufig nicht gut. Ein großer Teil der Fläche ist versiegelt und es sind verhältnismäßig wenig Grünflachen vorhanden. Dabei sind mit Pflanzen besetzte Flächen für die Kaltluftproduktion wichtig. Zukünftige Planungen müssen also dafür sorgen, dass in der Stadt genug offene Schneisen sind, die für die Kalt- und Frischluftlieferung sorgen. Flächen sollten entsiegelt werden, auch quartiersbezogene Zuordnung von ausreichend großen Grünflächen und die Entkernung von Blockinnenbereichen sollen helfen. Bäume können in der Stadt als verschattendes Element dienen. Da durch immer häufigere Starkregenfälle auch Fäulnisschäden zunehmen, muss die Wahl des Materials geändert werden.

Städte sind Ökosysteme

Für diese Probleme müssen in der Architektur in Zukunft Lösungen gefunden werden. Städte sind Ökosysteme, in denen alle kleinen Einzelteile zusammenspielen und sich zu einem großen Ganzen fügen. Da sich die Umwelt stetig verändert, muss die Architektur antizipieren und darauf reagieren. Sie sollte modular und anpassungsfähig sein, denn nur grüne Flächen reichen nicht.

In Karlsruhe wird bereits jetzt die Strategie verfolgt, Siedlungsbestände so umzubauen, dass sie besser an die Hitze angepasst sind. Das Aufheizen des Gebäudeinneren wirkt sich nicht nur auf die Temperatur in der Stadt allgemein, sondern auch auf den Wohnkomfort und die Wärmebelastung der Bewohner und Bewohnerinnen aus. Weitere Strategien sind das Erhalten und Verbessern von Grünflächen und der stärkeren Nutzung ihrer Wirkungen. Um für mehr Schatten und Begrünung zu sorgen, hat sich die Stadt Karlsruhe darauf geeinigt, eine Überlappung der Abstände von Leitungsstraßen mit einzuplanen. „Häufig haben die Bäume nicht genug Wurzelraum, da im Boden zu viele Leitungen verlegt sind. Durch die Abstände zwischen den Leitungsstraßen bleibt ein Streifen übrig, auf dem Bäume gepflanzt werden können“, gibt die Stadt Auskunft. Die Sanierungsquote im privaten Gebäudebestand soll durch geeignete Unterstützungsmaßnahmen der Stadt weiter erhöht werden und stadtteilbezogene Energiekonzepte sollen entwickelt werden. „Im Sanierungsgebiet Innenstadt-Ost wird die Entsiegelung von Flächen, beispielsweise in Form eines Abbruchs von Nebengebäuden in Hinterhöfen, zu 100 Prozent gefördert“, so die Pressestelle der Stadt Karlsruhe.

Das Thermoskannenprinzip

Eine Möglichkeit für energieeffizientes Bauen bietet das Passivhaus. Es funktioniert nach dem Prinzip einer Thermoskanne, wodurch sich der Energiebedarf stark reduzieren lässt. Die Gebäude sollten mit ihren Fassaden so ausgerichtet sein, dass sie einen möglichst hohen Solarertrag erreichen. Dadurch kann auch im Winter passiv solar geheizt werden. Auch die Möglichkeit der natürlichen Belüftung spielt eine wichtige Rolle. Die Gebäude müssen so geplant werden, dass durch Druckunterschiede bei geöffnetem Fenster die Räume automatisch belüftet werden. Hier spielen auch die Fassaden eine wichtige Rolle. In der Übergangszeit sollen sie dabei helfen, Schad- und Geruchsstoffe aus dem Gebäude heraus zu tragen. Sie verhalten sich so, wie ein Mensch in den verschiedenen Jahreszeiten. Im Winter müssen sie eine gute Wärmedämmung haben und gut schließen, während sie im Sommer leichter gekleidet sein sollten, damit Wärmeenergie austreten kann und das Gebäude über Nacht auskühlen kann. Es ist wichtig, dass auch hier schon bedacht wird, dass die Materialien in der Zukunft einfach und mit wenig Energieaufwand entsorgt werden können. Auch in Karlsruhe gibt es bereits einige solcher Passivhäuser, die in dem Klimahaus-Atlas [Link] der Stadt aufgeführt sind.

Entsorgen nach dem Vorbild der Natur

Neben den verschiedensten Umweltschutzmaßnahmen ist auch das rückstandslose Entsorgen bei Baumaßnahmen von Gebäuden von großer Bedeutung. Diese Maßnahme nennt man Rückwärtslogistik oder Rückführlogistik. Ziel davon ist es, auch eine rückwärtsgerichtete Effizienz der Wertschöpfungskette zu gewährleisten. Es wird immer auch schon das Entsorgen der Materialien mit eingeplant. Man kann es sich als einen ökonomischen Kreislauf aus effizienter Planung, Steuerung und Entsorgung von Materialien vorstellen. Das rückstandslose Entsorgen fängt schon bei der Produktionsplanung, dem Zulieferkonzept und der Entsorgungslogistik an. Als Vorbild dient dabei die Natur mit ihren selbstständig regenerierenden Mechanismen und Karlsruhe berücksichtigt bei Umbauten und Neubauten dieses Prinzip. So wird beispielsweise die Leitlinie für Energieeffizienz und Nachhaltiges Bauen umgesetzt, die Entsorgung von Abfällen folgt dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und die Abfallmenge selber wird auch schon durch die Minimierung des Flächenverbrauchs vermieden. Der Flächenverbrauch wird minimiert, indem vor einem Neubau geprüft wird, ob dieser wirklich nötig ist oder ein schon bestehendes Gebäude umgebaut werden kann. Es werden möglichst viele Produkte verwendet, die entweder wiederverwendet werden können oder recycelbar sind. Alle Installationsmaterialien werden hallogenfrei ausgeführt. Bei Holzfassadenbekleidungen werden bei Eignung unbehandelte Massivholzschalungen verwendet. Verbundbaustoffe werden vermieden (zum Beispiel Wärmedämmverbundsysteme).

Ein in Karlsruhe verwendetes Dämmmaterial ist die Posidonia-Faser. Diese Seegrasbälle findet man an Stränden, was den Nebeneffekt hat, dass diese durch das Aufsammeln der Bälle gleichzeitig auch gereinigt werden. Für die Nutzung dieses Dämmmaterials wurde Karlsruhe 2016 mit dem Preis „Innovation schafft Vorsprung“ ausgezeichnet. Diese Aufgaben an die Architektur erfordern infrastrukturelle Anstrengungen, denn alle Bauprojekte sind vom Klimawandel konfrontiert. Die Ansätze können nicht einzeln umgesetzt werden, sie sind alle voneinander abhängig und müssen zusammenwirken. Das stellt wohl die größte Aufgabe der Stadtplanung dar.

Handeln statt diskutieren – welche Auswirkungen hat der real existierende Klimawandel auf unser alltägliches Leben, was wird getan, was muss man tun? 19 Studierende der journalistischen Lehrredaktion des Studiengangs „Wissenschaft – Medien – Kommunikation“ am KIT beschäftigten sich mit Auswirkungen und Konsequenzen des Klimawandels in und um Karlsruhe. Über vier Monate hinweg tauchten die Studierenden im Sommersemester 2019 unter Leitung der Biologin und Journalistin Patricia Klatt tief ein in die Facetten der bestehenden und kommenden Veränderungen. Neben den Recherchen stellten sie Presseanfragen, besuchten Workshops, führten Interviews und hinterfragten die Motive der Scientists for Future. Die Ergebnisse des Ganzen wurden in verschiedener Form präsentiert:
Zum einen erarbeiteten die Studierenden das ausführliche Dossier »Handeln statt Diskutieren« als Abschluss der Lehrredaktion Print, zum anderen wurden Teile der Recherchen auch von der Karlsruher Lokalredaktion der Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) in einer print- und online-Version dargestellt.
Für die BNN haben die Studierenden ihre Orginal-Beiträge umgeschrieben, gekürzt und vereinfacht. Die BNN-Redakteurin Tina Mayer bearbeitete die Texte dann final für die Karlsruher Lokalredaktion der BNN.

Seminarleitung: Patricia Klatt
Sommersemester 2019

Andere Projekte