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Mehr als Worte:
Geisteswissenschaftler
in Aktion
Ein Projekt der Lehrredaktion WS 14/15
Was wissen
die Leute?
Wir haben
Passanten
befragt:
Was wissen Sie über
Geisteswissenschaften?
»Unnötig«

»Taxifahrer«

»Pseudowissenschaften«

Was denken Sie
wie ein
Geisteswissenschaftler
arbeitet?
»Kreativ«
»Nicht greifbar«
»Arbeitslos«
Wie stellen Sie
sich einen typischen
Geisteswissenschaftler
vor?
»Künstler & Hipster«
»Fachidiot«
»Mitarbeiter
bei McD«


Außenseiter
im breiten
Wissenschaftsfeld

Viele scheinen sich einig zu sein: Taxifahrer sind die Karriere-Typen unter den Geisteswissenschaftlern. Derartige Vorurteile haben nicht nur einen negativen Beigeschmack; sie verkennen auch das, was Geisteswissenschaftler leisten. Jene Disziplinen, die der Begriff Geisteswissenschaft bündelt, wirken in der medialen Darstellung, etwa im Wissenschaftsressort von Online-Medien, oft wie Außenseiter – gerade neben den Naturwissenschaften. Schuld daran ist vor allem die Tatsache, dass sie auf den planmäßigen Aufbau einer Versuchsanordnung im Labor verzichten müssen. Die überwiegend mentalen Prozesse lassen sich schlechter sichtbar machen als Experimente, weshalb sie für Außenstehende meist abstrakt und wenig greifbar sind. Kaum einer kann nachvollziehen, was in den Köpfen der gelehrten Denker vor sich geht – also was diese Geisteswissenschaftler Tag ein Tag aus tatsächlich machen und wie Wissen in den Geisteswissenschaften entsteht.


Ein Blick hinter
die Mauern des
Elfenbeinturms

Die gesellschaftlich vorherrschenden Bilder von Geisteswissenschaftlern beruhen weiterhin auf Stereotypen. Wie etwa dem des zerstreuten, gedankenversunkenen Professors, der sich in seinen Büchern vergräbt und gelegentlich hochtrabende Reden schwingt oder sich in un-verständlichen Schriften verewigt. Wir haben in der Rolle des Beobachters einen Blick hinter die Mauern des Elfenbeinturms gewagt und das Phänomen des Geisteswissenschaftlers und seiner Arbeit einmal näher betrachtet. Wie sieht die Tätigkeit eines Geisteswissenschaftlers aus? Welche Arbeitstechniken nutzt er oder sie, um zu seinen oder ihren Erkenntnissen zu gelangen? Wir wollten nachzuvollziehen, wie geisteswissenschaftliche Erkenntnis zustande kommt, und dazu wollten wir zwei Wissenschaftler in Aktion erleben.

Diesen beiden
Geisteswissenschaftlern
haben wir über
die Schulter geschaut:

Dr. Thomas Metten studierte Germanistik, Philosophie und Kunstwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau. Seit 2013/14 gehört er zum Institut für Germanistik am Karlsruher Institut für Technologie. Dort forscht und lehrt er für die Abteilung Wissen-schaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus. Bereits in seiner Doktorarbeit befasste er sich mit dem Thema „Wissensvermittlung als ästhetische Erfahrung“. Sein Interesse für die Aufbereitung und Kommunikation von Wissen ist jedoch nicht nur the-oretischer Natur. Vor seiner Zeit am KIT sammelte er praktische Erfahrungen als freier Journalist und im Bereich der universitären Presse-und Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Forschung befasst er sich unter anderem mit Sprach-und Medientheorien, Bildlinguistik und Bildwissenschaft sowie Multimodalität in Text, Film und Interaktion. Für seine sprach-und medienwissenschaftlichen Analysen nutzt er empirische Methoden und profitiert von seinen vielseitigen, auch internationalen Erfahrungen – beispielsweise seinem Aufenthalt in Neuseeland als Gastdozent am „Multimodal Research Center“ der Auckland University of Technology. Seine Mitgliedschaft in den Forschungsnetz-werken „Sprache und Wissen“ sowie „Multimodality and Embodied Interaction“ eröffnet im darüber hinaus die Möglichkeit eines regen Diskurs mit anderen Wissenschaftlern, die ähnliche Forschungsschwerpunkte haben.





Dr. Thomas Metten

M.A. Prof. Dr. phil. Hans-Peter Schütt


M.A. Prof. Dr. phil. Hans-Peter Schütt studierte Philosophie sowie griechische Sprach- und Literaturwissenschaft an der Hamburger Universität. Diese traditionellen geisteswissenschaftlichen Fächer ergänzte er durch ein Studium der Mathematik. Nach seinem Abschluss arbeitete er sogar kurze Zeit als Mathelehrer an einem Gymnasium. Danach wandte er sich wieder der Philosophie zu und begann seinen universitären Werdegang an der Universität Heidelberg, wo er auch habilitierte. Über Gast- und Vertretungstätigkeiten in Göttingen und Hamburg kam er schließlich nach Karlsruhe. Dort wurde er zunächst Leiter des philosophischen Instituts. Er befasst sich unter andere mit der Europäischen Ideengeschichte und der Philosophie der Logik. Im Rahmen eines DFG-Projekts forschte er zudem im Bereich der Moralphilosophie und moralischen Normbegründung. Er versteht sich als Professor der alten Schule, der sich mit dem geistigen, kulturellen Erbe der Gesellschaft auseinandersetzt und versucht ein Verständnis dafür zu entwickeln und dieses weiter zu vermitteln. Die Beherrschung verschiedener Sprachen – vom Griechischen und Lateinischen über das Französische bis hin zum Englischen – verschafft ihm dabei Zugang zu einer großen Auswahl an Quellen. So erstaunt er Studierende in seinen Lehrveranstaltungen nicht selten mit seinem Repertoire an Originalzitaten, von denen er viele frei rezitieren kann.

Wir wollten wissen:
Was bedeutet es für Sie
Geisteswissenschaftler
zu sein?
 
 

»Das große Feld
des Verstehens«

Und wie kommt ein
Geisteswissenschaftler
zu seiner Erkenntnis?

Die Geisteswissenschaften verfügen über differenzierte, methodische Arbeitsabläufe. Zwar nutzen Geisteswissenschaftler keine Experimente, um ihre Erkenntnis zu gewinnen. Aber Denkwerkzeuge – also bestimmte Techniken – verwenden sie durchaus. Auf diese Weise strukturieren sie zum einen effektiv ihren Forschungsalltag. Zum anderen ermöglichen sie fundierte Ergebnisse, die auf fachliche Resonanz und Akzeptanz stoßen. Es gibt keine für alle gleichermaßen gültige Herangehensweise. Im Laufe des beruflichen Werdegangs entwickelt jeder Forscher, jede Forscherin für andere ersichtliche sowie nachvollziehbare Techniken und integriert diese in das eigene wissenschaftliche Handeln. Die so verinner-lichten Praktiken sind innerhalb des Forschungsalltags jederzeit abrufbar – vergleichbar mit einem automatisierten Mechanismus oder einer festen Gewohnheit. Texte auswerten, be-arbeiten und erzeugen – die zentralen, ineinandergreifenden Tätigkeiten von Geisteswis-senschaftlern – folgen dabei stets einem ähnlichen Ablauf.


»Was das Vorgehen angeht,
ist der Unterschied
zwischen den verschiedenen
Wissenschaften viel geringer
als manche Leute glauben«

Am Anfang steht die Idee, die mit Inhalt gefüllt werden muss. Hierfür beschafft sich der Wissenschaftler Material und macht die gefundenen Quellen durch vielseitige, aktive Bearbei-tungsformen für die eigene Forschung nutzbar. Ziel ist es, die neu gewonnenen Erkenntnisse in das eigene Denken und die spezifischen Wissenschaftsstrukturen einzubauen.










»Interessenehmen
an einer
spezifischen
Frage«




Recherche, Lesen und Schreiben sind die drei Verfahren, die den Kern der geisteswissenschaftlichen Arbeit ausmachen. Recherche und Lesen umfassen dabei mehrere sich ergänzende Strategien, die meist nebeneinander ablaufen. Das Vorgehen während der Recherche geht über ein bloßes Sammeln hinaus; es impliziert das Aussortieren und Verdichten des Materials. Der Wissenschaftler beurteilt, welche Teile des Zusammengetragenen für den Forschungsgegenstand verwertbar sind und versucht diese in eine vorläufige Ordnung zu bringen. In enger Verbindung damit steht das Lesen, bei dem nicht einfach nur Inhalte erfasst werden. Eher meint es eine aktive Interaktion mit dem Text, einhergehend mit Markierungen und Verweisen. Im Zuge der Bearbeitung wird quergelesen, interpretiert, kommentiert, kritisiert und editiert. Der Forscher versucht eine neuwertige Sichtweise hervorzubringen, indem er relevante Textstellen auswählt, herausschreibt und miteinander vernetzt. Dabei greift er auch auf kreative Praktiken zurück – entwirft also Skizzen, Cluster oder andere Formen der Visualisierung.


»MAN BEMERKT ETWAS
UND FORMULIERT EINE
VORSICHTIGE
GENERALISIERUNG«

Das eigentliche Schreiben steht für die Etappe, in der die wissenschaftliche Publikation entsteht. Das Material immer wieder neu strukturieren, in den eigenen Text einfließen lassen und auch diesen immer wieder umbauen – das ist ein entscheidender Bestandteil geisteswissenschaftlicher Tätigkeit. So entwickeln Forscher ihre ursprünglichen Ideen weiter. Der Forscher hat also ein Repertoire methodischer Arbeitspraktiken, die dem wissenschaftlichen Anspruch genügen und gleichzeitig anpassbar sein müssen. Dadurch kann er die jeweilige Forschungsfrage mittels der gegebenen Materialien erfolgreich bewerkstelligen und mit der Publikation seines selbst verfassten Textes abschließen.


»Ich publiziere nichts
was nicht vorher die
Feuerprobe des Katheders
bestanden hat«

Abschließend lässt sich sagen, dass die Vorgehensweisen bei der Herstellung von geisteswissenschaftlichem Wissen so vielfältig sind wie die Geisteswissenschaftler selbst. Dennoch gilt: Auch in den Geisteswissenschaften bedient man sich individuell standardisierter Handlungsabläufe, um die Erkenntnisbausteine aufeinander zu setzen und zu einer Theorie zu formen. Dem generierten Wissen mag zwar augenscheinlich mehr Subjektivität anhaften und den lediglich rhetorischen Darstellungen die handfesten Beweise fehlen, aber es unterliegt ebenso dem regulativen Rahmen einer Scientific Community. Wie in allen anderen Wissenschaften müssen die Erkenntnisprozesse und das entstandene Produkt der kritischen Überprüfung durch fachlich Gleichberechtigte standhalten.

Wie wichtig ist die
Zusammenarbeit
mit anderen
Wissenschaftlern?

»Der wissenschaftliche
Dialog ist das
Primärmedium der
Wissenschaft«


Hat sich die
Arbeitsweise durch
die »neuen Medien«
verändert?

Stellt man sich das Labor als naturwissenschaftliches Setting für die Generierung von Wissen vor, wäre die Bibliothek ein mögliches und sehr passendes Pendant für die Geisteswissenschaften. Der Gelehrte ist auf Bücher und andere Formen der Verschriftlichung angewiesen. Sie sind sein wichtigstes Instrument neben Stift und Papier. Die Bedeutung von historischen Quellen sowie Primär- und Sekundärliteratur ist elementar. Sie fungieren als grundlegendes Arbeitsmittel, gelten aber auch als Forschungsobjekt sowie als Forschungsergebnis in Form eigenproduzierter Texte.

Welchen »Nutzen« haben
Geisteswissenschaften
für uns Laien?
 
 

»Ein Leben ohne
Geisteswissenschaften
ist möglich aber
sinnlos«

…Geisteswissenschaftler!
Das machen sie also!
Die Passanten
haben dazugelernt:
Was wissen Sie über
Geisteswissenschaften?
»Vielfalt der
Profession«

»Mensch im Fokus«
»Philosophie,
Literatur, …«

Was denken Sie
wie ein
Geisteswissenschaftler
arbeitet?
»Lesen«
»Empirische Studien«
»Forschung,
Journalismus,
Historik, BWL«

Wie stellen Sie
sich einen typischen
Geisteswissenschaftler
vor?
»Keine Stereotype«
»Visionär«
»Zeitgemäß«
Ein Projekt der Lehrredaktion
im Wintersemester 2014/2015 am
Karlsruher Institut für Technologie

Studiengang Wissenschaft-Medien-Kommunikation

Kristine Babakhanian, Janina Bokoloh, Simone Hess & Carolin Moser

Betreuende Dozenten:
Prof. Dr. Annette Leßmöllmann & Dr. Philipp Niemann

Programmierung und Unterstützung:
Nicolaz Groll & Thorsten Schwanninger