Wissenschaft liefert Lösungen

Von Tamara Jungmann, Sophie Ulrich & Aline Weber — 14. September 2019

Scientists for future

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Plakate, Parolen, Protest – Was Fridays for Future ist, muss man heute niemandem mehr erklären. Die junge, demonstrierende, grüne Welle ist längst in jeder Stadt und jedem Dorf angekommen. Auch hier in Karlsruhe.

Die Jugend fordert: Hört auf die Wissenschaftler! So gründete sich, parallel zu Fridays for Future, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern aus deutschsprachigen Ländern: Scientists for future. Diese Initiative ist ähnlich wie ihre Mitstreiter auf Demos vertreten, unterstützt aber die streikenden Schüler vor allem durch eins: wissenschaftliche Fakten.

Auch in Karlsruhe hat sich bereits eine stetig wachsende Regionalgruppe zusammengefunden, bestehend aus Wissenschaftlern namhafter Institutionen, wie dem Karlsruhe Institut für Technologie (KIT), der Fraunhofer-Gesellschaft oder dem Center of Disaster Management (CEDIM).

Dr. Andreas Schäfer, Gründungsmitglied der Karlsruher Regionalgruppe der Scientists for Future, ist Wissenschaftler am geophysikalischen Institut des KIT. Er erklärt, warum es extrem wichtig ist, dass die Jugend wieder auf die Straße geht und was die Stadt Karlsruhe in Zukunft tun kann.

Interview

Warum wolltest du Teil der Initiative Scientists For Future werden?

Dr. Andreas Schäfer:
Weil ich es als unglaublich
wichtig empfinde, die Debatte wissenschaftlich zu
betreuen. Ich bin bereits seit längerem bei Social
Media aktiv und sehe, wie wissenschaftliche Debatten
dort ablaufen. Da gibt es unglaublich viel
Halbwissen über den Klimawandel, das schnell
verbreitet wird und auch pseudowissenschaftliche
Vereine, die aktiv Falschwissen verteilen. Dagegen
habe ich versucht als Einzelperson anzutreten und
bin deswegen Teil der Scientists for Future geworden.

Wie läuft die Arbeit der Scientists For Future in Karlsruhe ab?

Scientists for Future beruht auf Freiwilligkeit und
ist kein Verein, der einen speziellen Rahmen hat.
Wir sind eine Gruppe von Wissenschaftlern aus
Karlsruhe, die sich regelmäßig treffen und auf Anfragen
von Fridays for Future oder bundesweiten
Scientists for Future-Gruppen reagieren. Außerdem
arbeiten wir momentan an der Möglichkeit,
uns in den kommunalen Diskurs zum Klimawandel
einzubringen.

Was sind das für Anfragen?

Bei Fridays for Future speziell die Absprache
bezüglich ihrer Forderungen. Fridays for Future-
Karlsruhe haben vor Kurzem ihren Forderungskatalog
an das Rathaus übergeben und wollten vorher Rücksprache
halten. Also aus wissenschaftlicher Sicht: Kann man diese
Forderungen unterstützen? Sind inhaltliche Fehler drin?

Denkst du, dass die Bewegung durch Scientists For Future
für Erwachsene und Politiker glaubhafter ist?

Ich würde schon sagen, dass es ein bisschen ernster
genommen wird. Man unterstellt den Jugendlichen
gerne, sie würden sich gar nicht so richtig interessieren
und gar nicht damit befassen. Aber tatsächlich
ist es so, dass sich die Fridays for Future mit
Wissenschaftlern hinsetzen um sich mit der Thematik
auseinanderzusetzen. Man kann natürlich
von einem 16-Jährigen keine 100 prozentige inhaltliche
„Correctness“ erwarten. Dafür sind dann die
Scientists for Future da, um ein bisschen auszuhelfen
und der Sache wissenschaftliche Glaubwürdigkeit
zu geben.

Welche Forderungen stellt ihr an die Politik?

Die Scientists for Future stellt gar keine Forderung
an die Politik. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die
Fridays for Future zu unterstützen. Wir können
kommentieren, ob etwas technisch machbar oder
ob der wissenschaftliche Hintergrund richtig ist.
Aber ob und wie das politisch und wirtschaftlich
umsetzbar ist, das ist nicht unsere Aufgabe. Und da
sehen wir uns klar als eine beratende Funktion und
nicht als das fordernde Gremium.

Wie stellst du dir selbst die Zukunft in Bezug auf
Klimaschutz/Klimaanpassung in Karlsruhe vor?

Es gibt Möglichkeiten in der Stadtentwicklung, wie
Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern weiter zu
fördern, was gegen die Hitzeinseln in der Stadt zu
tun, mehr Grün in die Stadt zu bringen, zum Beispiel
durch Fassadenbegrünung. Da ist Karlsruhe
eher direkt bemächtigt, etwas zu tun. Bei Angelegenheiten,
wie dem Kohlekraftwerk, ist natürlich
immer das Zusammenspiel mit anderen Akteuren
relevant um was zu verändern, aber Karlsruhe kann
gute Signale setzen.

Hättest du einen Tipp für die Bewohner Karlsruhes,
um ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen?

Man sollte einfach gewisse Punkte überdenken.
Muss man so viel Konsum betreiben und im
Überfluss leben? Oder kann man in manchen
Punkten ein bisschen zurückzustecken? Ich
selbst fahr deutlich mehr Fahrrad als früher,
nicht nur wegen dem Klimawandel, sondern
auch um einfach ein bisschen mehr Sport
zu machen (lacht).

Was sagst du zu der Kritik an Fridays For Future
bezüglich dem Thema Schulpflicht?

Es ist wichtig, dass die Jugend wieder auf die
Straße geht, dass sie sich wieder für Politisches interessiert.
Ich finde die Politisierung unglaublich
gut. Die Schüler*innen haben in dem Sinne kein
volkswirtschaftliches Druckmittel, zumindest kein
unmittelbares. Ich würde behaupten, dass wenn
50.000 Arbeiter auf die Straße gehen und demonstrieren,
ihre Arbeit niederlegen, merken das die
Firmen und die Politik. Da ist das beste Mittel der
Schüler*innen, sich gegen stehende Gesetze, also
gegen die Schulpflicht, zu erheben und für ihre eigene
Zukunft einzustehen. Es geht auch nicht darum,
dass Schüler den Klimawandel bekämpfen,
sondern darum, dass sie den Druck auf die erhöhen,
die ihn bekämpfen können. Es ist nicht an den
Schüler*innen, die Lösungen zu liefern, die Lösungen
kommen aus der Wissenschaft. Und nun muss
die Politik handeln. Und da finde ich, ist auch eine
große Objektivität wichtig, vor allem, dass sich Fridays
for Future nicht von politischen Parteien vor
den Karren spannen lässt. Ich finde ihren unparteiischen
Ansatz unglaublich gut, denn somit sind sie
weniger angreifbar.

Hast du schon versucht, Skeptiker des 
Klimawandels zu überzeugen?

Das habe ich schon mehrfach auf persönlicher
Ebene versucht. Und war auch relativ erfolgreich.
Ich will damit nicht sagen, dass jene zu Klimaaktivisten
geworden sind, aber sie sind zumindest
von ihrer reinen Skepsis abgerückt. Man muss
unterscheiden, ist das jemand, der aus politischer
Überzeugung etwas vertritt oder aufgrund von
Nicht-Besseren-Wissens etwas vertritt? Bei den
letzteren kann man mit Reden etwas erreichen. Bei
den Ersteren würde ich sagen, möglichst ignorieren
und unter fünf Prozent halten.

Handeln statt diskutieren – welche Auswirkungen hat der real existierende Klimawandel auf unser alltägliches Leben, was wird getan, was muss man tun? 19 Studierende der journalistischen Lehrredaktion des Studiengangs „Wissenschaft – Medien – Kommunikation“ am KIT beschäftigten sich mit Auswirkungen und Konsequenzen des Klimawandels in und um Karlsruhe. Über vier Monate hinweg tauchten die Studierenden im Sommersemester 2019 unter Leitung der Biologin und Journalistin Patricia Klatt tief ein in die Facetten der bestehenden und kommenden Veränderungen. Neben den Recherchen stellten sie Presseanfragen, besuchten Workshops, führten Interviews und hinterfragten die Motive der Scientists for Future. Die Ergebnisse des Ganzen wurden in verschiedener Form präsentiert:
Zum einen erarbeiteten die Studierenden das ausführliche Dossier »Handeln statt Diskutieren« als Abschluss der Lehrredaktion Print, zum anderen wurden Teile der Recherchen auch von der Karlsruher Lokalredaktion der Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) in einer print- und online-Version dargestellt.
Für die BNN haben die Studierenden ihre Orginal-Beiträge umgeschrieben, gekürzt und vereinfacht. Die BNN-Redakteurin Tina Mayer bearbeitete die Texte dann final für die Karlsruher Lokalredaktion der BNN.

Seminarleitung: Patricia Klatt
Sommersemester 2019

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