… und mit der Untergrenze die Sau rauslassen

Von Renée Arnold, Christine Bachmeyer, Hannah Dannereder, Dascha Morosow, Susanna Nagy und Corinna Schneider — 14. August 2016

Sich selbst verstehen: Warum die Seele dann am besten baumelt, wenn sich der innere Schweinehund voll ins Zeug legt.

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Wenn ich mich kurz vorstellen darf: Ich bin’s, der innere Schweinhund. Heute möchte ich Ihnen meinen ganz persönlichen Alltag vorstellen. Ja, in der Tat. Auch ich habe einen Beruf, nämlich Ihnen das Leben zu verschönern und zu erleichtern. Ich bin die Quelle der Entspannung und des leichten Lebens. Und so fängt mein Arbeitstag an…

Der Kies knirscht unter meinen Füßen, die dunkle Nacht umhüllt mich. Der Wind pfeift und ich fröstele. Aber ich bin da. Das Licht im Fenster vor mir erlischt. Das ist der Augenblick, auf den ich so lange gewartet habe. Ich klettere über die kleine Mauer in den Vorgarten. Vorsichtig tappe ich über das feuchte Gras und erklimme den niedrigen Fenstersims. Das Fenster ist zum Glück nur angelehnt, sodass es für mich ein Leichtes ist, es aufzudrücken.

Der junge Mann im Bett schnarcht leise vor sich hin. Unter der Decke grüßt sein Waschbärbauch heraus. … und mit der Untergrenze die Sau rauslassen SICH SELBST VERSTEHEN: Warum die Seele dann am besten baumelt, wenn sich der innere Schweinehund voll ins Zeug legt. Ich lache in mich hinein. Genauso soll das sein. Ich hüpfe in das dunkle Schlafzimmer und schleiche auf den Zehenspitzen herein. So leise wie möglich krieche ich unter das Bett und mache mich bereit, die Nacht hier auszuharren. Hellwach.

6 Uhr. Der Wecker klingelt. Und das am Sonntag. Der junge Mann hat am Abend zuvor große Pläne geschmiedet: Die Waage hat mal wieder für eine böse Überraschung gesorgt und er wollte heute Morgen joggen gehen. Ich kann das nicht begreifen: Die jungen Leute denken immer nur an Sport und gesunde Ernährung. Sie sind Gefangene ihrer Selbst. Kaum zu glauben, aber auch Sport kann zum Zwang werden. Und genau davor will ich den armen jungen Mann bewahren. Ich weiß auch schon wie. Profi halt und ein Leben lang im Geschäft.

Das Piepsen weckt den jungen Mann. Aber kurz bevor er aufstehen kann, lege ich mich mit meinem ganzen Gewicht auf seine Brust. Zentner sind das. Der junge Mann ächzt und kämpft gegen mich und den Schlaf an. Aber er hat keine Chance. Das Bett ist so weich und kuschelig und ich schmiege mich an den jungen Mann und schnurre wie eine Katze. Ganz wohlig. Es kommt, wie es kommen muss: Die Hand des jungen Manns wandert zum Wecker und drückt die Schlummertaste. Noch 5 Minuten, denkt er. Stundenlang kuscheln wir.

Kurz vor halb zehn lasse ich ihn dann doch aufstehen und dirigiere ihn in die Küche. Auch ein Schweinehündchen wie ich hat Hunger. Und geschmackloser Naturjoghurt geht gar nicht. Pfannkuchen mit Nutella und Puderzucker, ja das leiben der junge Mann und ich. Und sein süßes Schmerbäuchlein. So wie der junge Mann da reinbeißt, schmeckt es ihm – ein Fest für die Sinne. Ab jetzt läuft es routiniert. Auch den Rest des Tages geht Tim langsam an. Ich bin eben ein kleines, süßes Schweinchen mit einem Schuss Hund.

Mein Blick wandert auf einen Käfig, er in der Ecke steht, drin ein ein quietschendes nervtötendes Meerschweinchen. Hey junger Mann, das kleine Ding ist doch viel zu viel Arbeit für dich mit deinem sowieso schon stressigen Alltag. Und ich bin hier das einzige Schwein im Haus. Deine Ex hat dich mit dem Vieh sitzen lassen und jetzt hast du es an der Backe. Schenk es doch dem Mädchen aus der Nachbarschaft, dann hast du weniger Arbeit, hast mehr Zeit dich zu entspannen und sie hat eine Freude.

Gesagt, getan. Jetzt liegen der junge Mann und ich gemütlich auf dem Sofa und schauen einen Film. Was für ein Leben. Herrlich! So muss das sein. Im Handumdrehen ist der Sonntag verflogen. Und dabei noch eine gute Tat getan mit dem Meerschweinchen. War sowieso ein bisschen verlottert. Ein erfüllter Arbeitstag. Und mit einem wohligen Grunzen auf den Lippen schlendere ich hinaus in die Nacht. Der junge Mann schläft. Müde war er, der Arme. Ist ja auch brutal gewesen, heute. Sportverzicht. Es gibt mental nichts anstrengenderes

Nicht nur der Mensch, auch die Natur stößt immer wieder an Grenzen. Die Studierenden der WMK-Lehrredaktion haben sich im Sommersemester 2016 mit dem ein oder anderen „Grenzgänger“ auseinandergesetzt. Sie wollten wissen, welche Körpergröße Tiere erreichen können, wie man seine Leistungsfähigkeit beim Sport richtig einschätzt und was es für Transsexuelle bedeutet, wenn das biologische Geschlecht nicht der persönlichen Identität entspricht. Unter der Leitung von Dr. Christian Gruber, Ressortleiter Wissenschaft bei der Rheinpfalz am Sonntag, entstand daraus eine Artikelserie. Wir wünschen viel Spaß beim Durchblättern!

Seminarleitung: Dr. Christian Gruber
Sommersemester 2016

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