Sara Bogenschütz, Laura Reich-Diez & Lorenz Weber — 14. September 2019
Wenn der Rheinpegel sinkt
Der Klimawandel und die damit einhergehenden Veränderungen der Wassertemperatur, Wassermenge und die chemische Zusammensetzung des Wassers führen auch im nordbadischen Gebiet zu massiven Einschränkungen des Ökosystems und wirtschaftlichen Konsequenzen.
Durch seine verkehrsstrategisch günstige Anbindung an wichtige Wirtschafts- und Industriegebiete in Europa agiert der Rhein als wichtiger Handelsweg für den Transport verschiedenster Güter quer durch Deutschland und gilt als meist befahrenste Wasserstraße der Welt (Strecke Basel – Nordsee). Sinkt jedoch der Wasserpegel des Rheins, schränkt dies die Schifffahrt ein. Der Gütertransport wäre nur mit verringerter Ladung möglich oder müsste im schlimmsten Fall temporär eingestellt werden. Die sich daraus ergebenden Lieferengpässe führen zu wirtschaftlichen Einbußen. Hinzukommende Zwangspausen im Fährbetrieb sorgen für Unmut bei den Pendlern.
Im vergangenen Jahr erreichte der Niedrigwasserstand des Rheins bei Karlsruhe einen historischen Rekordwert von 3,11 Metern (Pegel Karlsruhe- Maxau), somit wurde der alarmierende Wert aus dem Rekordsommer 2003 um weitere 9 cm unterschritten und insgesamt der niedrigste Pegel seit 1972 gemessen. Über ein halbes Jahr, und eine frühsommerliche Hitzewelle später konnte die Natur die Niederschlagsdefizite der letzten Monate noch nicht ausgleichen.
Somit stellt das Niedrigwasser am Rhein weiterhin ein Problem dar, welches dringendes Umdenken erfordert.
Aufgrund trockener und wärmerer Sommer muss zukünftig mit niedrigeren Wasserständen kalkuliert werden. Experten der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LuBW) sprechen von einem „deutlichen zusätzlichen Anstieg der Trocken- und Niedrigwasserperioden im Sommer“, mit welchem in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts zu rechnen ist. Als Folge des Klimawandels lassen sich in Süddeutschland regional unterschiedliche Entwicklungen der Niedrigwassersituation feststellen. In der Summe tendiere die Mehrzahl der Pegel zu geringen Abnahmen der Niedrigwasserabflüsse, so die Vertreter der LuBW weiter. Um möglichen ökologischen und volkswirtschaftlichen Schäden vorzubeugen, wird die Entwicklung langfristiger Vorsorgekonzepte gefordert.
Ein wesentlicher Bestandteil für den Zustand der Binnengewässer stellt die Temperatur des Wassers dar. Diese ist ausschlaggebend für das ökologische Gleichgewicht in Gewässern. Bei steigender Temperatur im Fluss sinkt der Sauerstoffanteil, dessen Erhalt lebenswichtig ist für Wasserpflanzen und den Fischbestand. Laut einer Bestandsaufnahme der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) wird eine Erhöhung der Wassertemperatur bis 2020 um 1,5°C prognostiziert, jedoch sei die Erwärmung klimatisch bedingt und weise keine signifikanten Effekte der Wärmeeinleitung auf. Der Landesfischereiverband Baden-Württemberg (LFVBW) erklärt, Niedrigwasser und der daraus resultierende Wassermangel, in Kombination mit heißen Temperaturen, ließen den Lebensraum einiger Fischarten schrumpfen. Fische, wie Äsche und Barbe, würden als Folge in die oberen Flussläufe ausweichen, erhöhte Wassertemperaturen und Wassermangel würden jedoch auch dort keinen Halt machen.
„Großes Problem sind noch immer die massive Verbauung und menschliche Veränderung der Gewässerstrukturen“
Die Belastung des Wassers durch Nährstoffe und Chemikalien stelle für die Fische ebenfalls eine Bedrohung dar. Darunter fänden sich viele unbekannte Stoffe, deren Wirkung auf aquatische Lebewesen nicht bekannt und schwer nachweisbar sei, wie der LFVBW berichtet. „Sauber ist nicht sauber“, weist Ingo Kramer, Geschäftsführer des LFVBW, auf die Belastung hin, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sei, aber den Lebewesen ungemein schade. Kramer rät zu einer vierten Reinigungsstufe in Kläranlagen, die durch den Einsatz von Aktivkohlefilter für Abhilfe sorgen könnte.
Bisherige Bemühungen der Fischereiverbände zeigen erste Erfolge: Noch etwas scheu, aber zaghaft zeigt sich der Lachs wieder in den Gewässern des Rheins. Die großflächige Wiederansiedlung des Lachses im Dreiländereck entstammt der Kooperation französischer, schweizerischer und deutscher Fischereiverbände. Ingo Kramer berichtet, dass die Erfolge der letzten Jahre auf eine Verbesserung des Gewässerzustandes des Rheins schließen lassen. Der Lachs, der als das Sorgenkind, der im Rhein heimischen Fischarten gilt, beweist durch seinen wachsenden Bestand, dass sich auch die anderen heimischen Fischarten im Rheingewässer wieder wohler fühlen können.
Damit der Lachs und andere Lebewesen im Ökosystem des Rheins Zukunft haben, müssen auch Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die Einfluss auf die Qualität des Wassers nehmen, bestimmten Regularien folgen.
Kraftwerke ohne Kühltürme werden gegebenenfalls abgeschaltet und die eingeleiteten Abwässer streng kontrolliert. Niedrigwasser, Temperaturerhöhungen in den Gewässern und Belastungen durch Chemikalien – All diese Problematiken bekommen durch anhaltende Hitzeund Dürreperioden eine besondere Bedeutung für die Gewässerfauna. Zusätzlich müssen Unternehmen ganz grundsätzliche Vorkehrungen zum Schutz der Gewässer treffen. Ein Beispiel dafür ist das JRC (Joint Research Centre) Karlsruhe, eine Forschungseinrichtung, die selbst einen potentiellen Einfluss auf die Wasserqualität hat und nicht umgekehrt.
Stolz schmücken die Flaggen der EU-Mitgliedsstaaten den Eingangsbereich am KIT Campus Nord. Das JRC gehört zur Gemeinsamen Forschungsstelle der europäischen Kommission, unter der Leitung von Dr. Maria Betti, und beschäftigt 350 Mitarbeiter. In den Laboren forscht man derzeit an wichtigen nuklearen Technologien, wie der Alpha- Immunotherapie, mit der man sich erhofft eines Tages Krebs heilen zu können. Zukunftsorientiert forschen heißt auch nachhaltig forschen. In den Laboren entstehen Abwässer, welche zunächst überprüft werden müssen. Mit Unterstützung der kerntechnischen Entsorgung Karlsruhe wird gewährleistet, dass jene Abwässer, die Spuren von Radioaktivität enthalten fachgerecht entsorgt werden.
Damit auch auf Europaebene solch ein Schutz der Gewässer gewährleistet werden kann, bedarf es zahlreicher Richtlinien, wie zum Beispiel der Wasserrahmenrichtlinie. Sie trat 2000 in Kraft und musste 2003 von den EU-Ländern in nationales Recht umgesetzt werden. Die festgelegten Ziele beinhalten den Schutz aller Arten von Gewässern und die Reduzierung von Wasserverschmutzung. 2015 wurden diese Ziele jedoch noch nicht erreicht, weshalb eine Verlängerung eingeführt werden musste. Diese “Gewässerschutzrichtlinien haben [jedoch] keine unmittelbare Auswirkung auf die Forschungsaktivitäten am JRC Karlsruhe”.
Handeln statt diskutieren – welche Auswirkungen hat der real existierende Klimawandel auf unser alltägliches Leben, was wird getan, was muss man tun? 19 Studierende der journalistischen Lehrredaktion des Studiengangs „Wissenschaft – Medien – Kommunikation“ am KIT beschäftigten sich mit Auswirkungen und Konsequenzen des Klimawandels in und um Karlsruhe. Über vier Monate hinweg tauchten die Studierenden im Sommersemester 2019 unter Leitung der Biologin und Journalistin Patricia Klatt tief ein in die Facetten der bestehenden und kommenden Veränderungen. Neben den Recherchen stellten sie Presseanfragen, besuchten Workshops, führten Interviews und hinterfragten die Motive der Scientists for Future. Die Ergebnisse des Ganzen wurden in verschiedener Form präsentiert:
Zum einen erarbeiteten die Studierenden das ausführliche Dossier »Handeln statt Diskutieren« als Abschluss der Lehrredaktion Print, zum anderen wurden Teile der Recherchen auch von der Karlsruher Lokalredaktion der Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) in einer print- und online-Version dargestellt.
Für die BNN haben die Studierenden ihre Orginal-Beiträge umgeschrieben, gekürzt und vereinfacht. Die BNN-Redakteurin Tina Mayer bearbeitete die Texte dann final für die Karlsruher Lokalredaktion der BNN.Seminarleitung: Patricia Klatt
Sommersemester 2019