Alina Kenzler & Janina Vettel — 14. September 2019
Fassadenbegrünung als biologische Klimaanlage
Knapp 40°C im Juni 2019. Vor allem in Städten steht die heiße Luft in den Straßen, aber auch in den Wohnungen ihrer schwitzenden Bewohner. Sind die Ventilatoren dann längst ausverkauft, ist guter Rat teuer. An dieser Stelle lohnt sich ein Blick zu anderen Karlsruher Savannenbewohnern, den Elefanten im Zoologischen Stadtgarten. Am dortigen Elefantenhaus findet sich eine vertikal begrünte Wand, welche das Kleinklima verbessern soll. Was für die Dickhäuter vor allem ein optischer Effekt ist, kann für hitzegeplagte Menschen in ihren Wohnungen aber einen konkreten Nutzen bringen, nämlich Abkühlung.
GRÜNE KLIMAANLAGEN
Wandbegrünungen müssen dabei nicht zwingend aus einem modernen Modulsystem bestehen, das verhältnismäßig kosten- und wartungsintensiv ist. Laut einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) führt die Fassadenaufheizung an heißen Tagen zu einem nächtlichen Temperaturunterschied zwischen Innenstadt und Umland von bis zu 7°C. Gerade in dicht bebauten Gebieten sind diese Temperaturextreme deutlich spürbar und erschweren den Alltag. Diesem Hitzestau wirken durch das natürliche Reflektionsvermögen der Blätter auch klassische Kletterpflanzen wie Efeu entgegen. Somit bleibt es im Sommer in den Räumen kühler, da die Hitze durch die unterbundene Aufheizung der Außenwände weniger stark in die Wohnung gelangt. Im Gegensatz zum Klimagerät tut die Begrünung auch noch etwas für die Insektenpopulation und das Klima, was sie doppelt attraktiv macht. Dabei muss man keine Angst davor haben, schließlich die gesamte Insektenpopulation der Umgebung in der Wohnung zu haben, da diese sich in den begrünten Flächen wohler fühlen, als in den überhitzten Räumen.
Auch das Gartenbauamt der Stadt Karlsruhe ist sich der Vorteile der vertikalen Begrünung bewusst und fördert Rankhilfen und Begrünung im Rahmen des „Förderprogramms zur Begrünung von Höfen, Dächern und Fassaden“ mit bis zu 4000€ pro Anwesen. Seit über 30 Jahren, nämlich seit 1982, werden in den dicht besiedelten Gebieten der Innenstadt, Mühlburgs, der Oststadt, der Südstadt, der Südweststadt und des Ortskerns von Durlach nicht nur Eigentümer, sondern auch Mieter bei der Begrünung unterstützt. In Sonderfällen ist es auch Vereinen und Veranstaltern möglich, ihre vertikalen Flächen zu begrünen. Generell dürfen jegliche Förderungen aber nicht Grund für eine Mieterhöhung sein, da es das Ziel des Gartenbauamts ist, sich nach den Bedürfnissen der Bewohner und Bewohnerinnen zu richten und eine Verbesserung der Wohnqualität zu erreichen. So bemüht sich das Gartenbauamt, die Bürger mit seinen zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln zu unterstützen und somit durch Begrünung von Innen- und Hinterhöfen sowie von Dächern und Fassaden das Wohnumfeld zu verbessern und aufzuwerten. Für Interessierte bietet das Gartenbauamt Karlsruhe eine kostenlose Erstberatung an, bei der finanzielle Fragen individuell geklärt werden können. Weiterhin findet für besonders motivierte Gärtner seit 1977 jeweils in den geraden Kalenderjahren der sogenannte „Hinterhofwettbewerb“ statt, im Rahmen dessen besonders schön begrünte Höfe und Dächer prämiert werden.
Initiative der Grünen für mehr Grün
Wer mehr Individualität an seiner Fassade möchte, als einfache Kletterpflanzen bieten und bereit ist, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, für den bieten sich modulare Lösungen an. Diese bestehen aus Fassadenelementen, die wiederum Vertiefungen haben, die sogenannten Pflanztöpfe. Durch die flexiblen Möglichkeiten in der Zusammenstellung dieser Module kann dieses System für die meisten Arten von Fassade genutzt werden. Seit 2013 besteht ein vertikaler Garten nach diesem Konzept am Elefantenhaus im Zoologischen Stadtgarten Karlsruhe. Seinen Ursprung hat dieser in einer Initiative der Fraktion der Grünen im Gemeinderat, der Standort wurde daraufhin von der Verwaltung vorgeschlagen. Man erhoffte sich davon einen Zugewinn sowohl für das Kleinklima, als auch die städtische Begrünungssituation ohne Flächenverbrauch. In der Praxis zeigte sich dann schnell, wie die Pflege des Systems im Alltag funktioniert. „Viele Pflanzen kamen nicht zurecht und mussten ausgetauscht werden. Andere wachsen auch aus den Pflanzlöchern heraus, bekommen dann auf Dauer zu wenig Feuchtigkeit und gehen ein.“, berichtet Martina Wieland- Dürr vom Gartenbauamt, dem das Projekt zugeordnet ist. Im Jahr kämen so Unterhaltskosten von ca. 5000€ zusammen. Diese seien zwar durch einen hohen Personalaufwand von 90 Stunden begründet, zeigen aber, wie hoch der Pflegeaufwand in der Praxis tatsächlich ist. Dazu kommen die Anschaffungskosten: eine Gesamtinstallation auf 150qm, wie die im Zoologischen Garten, schlägt beispielsweise mit ca. 85.000€ zu buche. Betrachtet man den technischen Aufwand, der in der Konstruktion steckt, werden die hohen Kosten plausibel. Das System ist ein komplett künstliches, das nur mit geregeltem Bewässerungs- und Düngesystem auskommt und auch Bewässerungsschläuche direkt integriert. Das wiederum generiert einen hohen Kontrollaufwand – gibt es damit Probleme, geht die Bepflanzung schnell ein.
Dass Systeme von dieser Komplexität kaum eine Chance auf flächendeckende Verbreitung haben, ist inzwischen auch den Anbietern klar geworden. Die Firma Optigrün beispielsweise, einer der Hauptanbieter für Dachbegrünungssysteme, die auch die Anlage am Elefantenhaus installiert hat, arbeitet inzwischen an einer Variante, die sowohl günstiger als auch pflegeleichter zu betreiben sein soll. Das im Zoologischen Garten verwendete System wird heute in dieser Form schon nicht mehr angeboten.
Variable Möglichkeiten für jeden Geldbeutel
Selbst im privaten Rahmen kann Begrünung ohne Pflege nicht gelingen, es muss aber längst nicht so kompliziert sein, wie die modularen Systeme es vorgeben. Herkömmliche Fassadenbegrünung durch Rankpflanzen, wie Efeu oder wilder Wein, ist deutlich pflegeleichter – bekommen die Pflanzen genug Wasser, muss man nur noch regelmäßig zurückschneiden. Ist man doch ein eher anspruchsvoller Gärtner und schätzt die Variabilität modularer Systeme, muss man sich den Pflegeaufwand unbedingt bewusst machen, um am Ende keine Enttäuschung zu erleben. Neben optischen Vorlieben müssen die sich an der Fassade bietenden Ausgangsbedingungen, wie Ausrichtung und Sonneneinstrahlung, bei der Pflanzenauswahl beachtet werden, wenn man lange Freude an ihnen haben möchte.
Hat man dazu weder die Zeit noch die Muße, kann man auch auf einen professionellen Anbieter zurückgreifen. Manche Firmen bieten eine Übernahme der Pflanzenpflege sowie die Wartung der Bewässerungsanlage an.
Egal in welcher Form, sind Fassadenbegrünungen ein zukunftsträchtiger Beitrag zum Klimaschutz, der zahlreiche Vorteile auch für das eigene Wohlbefinden mit sich bringt und Varianten für jeden Geldbeutel bietet.
Handeln statt diskutieren – welche Auswirkungen hat der real existierende Klimawandel auf unser alltägliches Leben, was wird getan, was muss man tun? 19 Studierende der journalistischen Lehrredaktion des Studiengangs „Wissenschaft – Medien – Kommunikation“ am KIT beschäftigten sich mit Auswirkungen und Konsequenzen des Klimawandels in und um Karlsruhe. Über vier Monate hinweg tauchten die Studierenden im Sommersemester 2019 unter Leitung der Biologin und Journalistin Patricia Klatt tief ein in die Facetten der bestehenden und kommenden Veränderungen. Neben den Recherchen stellten sie Presseanfragen, besuchten Workshops, führten Interviews und hinterfragten die Motive der Scientists for Future. Die Ergebnisse des Ganzen wurden in verschiedener Form präsentiert:
Zum einen erarbeiteten die Studierenden das ausführliche Dossier »Handeln statt Diskutieren« als Abschluss der Lehrredaktion Print, zum anderen wurden Teile der Recherchen auch von der Karlsruher Lokalredaktion der Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) in einer print- und online-Version dargestellt.
Für die BNN haben die Studierenden ihre Orginal-Beiträge umgeschrieben, gekürzt und vereinfacht. Die BNN-Redakteurin Tina Mayer bearbeitete die Texte dann final für die Karlsruher Lokalredaktion der BNN.Seminarleitung: Patricia Klatt
Sommersemester 2019